Eine vorbereitete Umgebung ist natürlich nicht nur ausschließlich für Einrichtungen machbar, sondern lässt sich – mit ein wenig Anpassungen – auch im eigenen Zuhause umsetzen!
Maria Montessori entdeckte und fand dies auch durch ihre langjährige Arbeit mit Kindern immer wieder bestätigt, dass sich die Umgebung, in der ein Kind aufwächst, sowohl günstig, als auch ungünstig auf dessen Entwicklung und somit auf sein Verhalten auswirken kann. Je nachdem, welche „Umgebung“ es während seiner Entwicklung vorfindet. Kinder benötigen eine Erfahrungswelt, in der sie selbstständig und (weitestgehend) ohne die Hilfe von Erwachsenen arbeiten (lernen) können.
Die vorbereitete Umgebung nach Montessori ist nichts Vorgefertigtes, Starres, das immer gleichbleibend in jedes Kinderzimmer/jede Wohnung übertragen werden kann. Sie ist in höchstem Maße flexibel, auf die jeweiligen Bedürfnisse und den Entwicklungsstand des Kindes/der Kinder abgestimmt. Dies erfordert Einfühlungsvermögen und gute Beobachtungsgabe, um den aktuellen Entwicklungsstand des Kindes einschätzen zu können und somit die für die Weiterentwicklung und Entfaltung benötigte Umgebung zu schaffen. Dies gilt nicht nur für Einrichtungen, sondern auch für das eigene Zuhause.
Die drei Säulen der vorbereiteten Umgebung bilden:
- der Lehrer (Zuhause die Eltern)
- das Material
- der Raum
Der Lehrer:
In diesem Fall die Eltern bzw. Personen, die das Kind begleiten. Der Lehrer übernimmt in der Montessori-Pädagogik eine sehr wichtige Rolle und hat entscheidend Einfluss auf das Vorankommen des Kindes. Er schafft die Voraussetzungen für optimale Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder. Er hilft, wo Hilfe benötigt oder angefordert wird und zieht sich zurück, sobald keine mehr gebraucht wird.
Seine Aufgaben sind:
- die Haltung dem Kind gegenüber
(jedes Kind wird als eigenständige Person geachtet und genießt uneingeschränkten Respekt und Wertschätzung) - räumliche Umgebung gestalten (siehe auch Unterpunkt „der Raum“)
- Achten auf die Einhaltung vereinbarter Regeln
(respektvoller Umgang miteinander, sorgsamer und sachgerechter Umgang mit dem Material, Material nach Gebrauch wieder ordentlich und vollständig an den dafür vorgesehenen Platz bringen etc.) - Hilfestellung geben
(um die Kinder optimal zu begleiten, muss der Lehrer genaue Kenntnisse in Handhabung und Darbietung der Materialien besitzen – z.B. Einführung der Materialien mit der 3-Stufen-Lektion) - liebevoller, objektiver Beobachter sein
Arbeitet das Kind selbstständig mit einem Material, zieht sich der Lehrer zurück und wird zum Beobachter. - Auch wenn Kinder um Hilfe bitten, lautet die Devise „Hilf mir, es selbst zu tun“ und vor allem „Man hilft den Menschen nicht, indem man für sie tut, was sie für sich selbst tun können“. Der Lehrer zeigt bzw. erklärt nur so lange bzw. nur so viel, bis die Frage geklärt ist und das Kind alleine weiterarbeiten kann. Danach zieht er sich zurück.
Gerade dieser Punkt ist für viele Eltern eine wirkliche Herausforderung! Hier muss man sich wirklich gut selbstreflektieren und hinterfragen, um das richtige Maß zwischen Herausfordern und Unterstützen zu finden – das Kind zu fordern, aber nicht zu überforden – dem Kind zu helfen, es aber nicht „hilflos“ zu machen. - geeignetes Lernmaterial zur Verfügung stellen
(dieses sollte sowohl den aktuellen Bedürfnissen und Neigungen des Kindes entsprechen, aber auch die nächstschwierigeren, weiterführenden Materialien sollten bereits in Griffnähe bereitliegen, um Interesse zu wecken bzw. wachzuhalten)
Das Material:
Die Entwicklungsmaterialien in der Montessori-Pädagogik lassen sich in die Bereiche Sinnesmaterial, Übungen des täglichen/praktischen Lebens, Sprache, Mathematik und Kosmische Erziehung einteilen. Das Material ist „Helfer“ und soll das Kind bei seiner Selbstbildung und Selbsterziehung unterstützen. Je Material wird isoliert nur eine Eigenschaft besonders stark hervorgehoben. Das Lenken der vollen Konzentration auf genau diesen einen Lerninhalt macht das Lernerlebnis und somit den Lernerfolg noch intensiver und fruchtbarer.
Jedes Material beinhaltet die Möglichkeit unterschiedlicher Schwierigkeitsabstufungen, so kann die Beschäftigungsspanne optimal ausgereizt werden. Es lassen sich z.B. Abstufungen benennen (z.B. groß, größer, am größten), Paare bilden (z.B. zwei Geräuschdosen mit dem gleichen Geräusch) und Kontraste herausarbeiten (groß-klein, lang-kurz, laut-leise).
Die Selbstkontrolle ermöglicht dem Kind, unabhängig von Erwachsenen (unabhängig von deren Zeit, Bestätigung oder Bewertung) eigene Erfahrungen mit Erfolg und „Misserfolg“ zu machen. Die Fehlerkontrolle ist ein rein objektives Werkzeug, um das Arbeitsergebnis selbst zu überprüfen. Wurde richtig gearbeitet, ist das Ergebnis korrekt. Im umgekehrten Falle: ist das Ergebnis nicht korrekt, wurde nicht richtig gearbeitet und irgendwo muss ein Fehler gemacht worden sein. Nicht mehr und nicht weniger. Das Kind kann sich, ohne die Angst vor Bewertung, einfach auf Fehlersuche begeben und diesen korrigieren. Durch die intensive Auseinandersetzung mit eigenen Fehlern, wird der Lerninhalt noch besser verarbeitet und verinnerlicht.
Bücher zu unterschiedlichen Sachthemen (und evtl. auch vorbereitete Arbeitsgehefte) runden das Materialangebot ab.
Der Raum:
Hier müssen natürlich Anpassungen für das eigene Zuhause gemacht werden – die wenigsten werden wohl Platz für den eigenen „Montessori-Lernraum“ Zuhause haben. Allerdings ist es in fast jedem Kinderzimmer und jeder Wohnung möglich, Montessori-Ecken einzurichten! Das fängt schon bei der kindgerechten Garderobe an, die sich bestimmt auch in der noch so kleinsten Wohnung umsetzen lässt: Haken bzw. Regal in erreichbarer Höhe des Kindes, um selbstständig Jacke und Schuhe anzuziehen bzw. aufzuräumen – evtl. ein kleiner Spiegel und ein kleines Regalbrett an der Wand, damit sich das Kind selbst kämmen kann.
Im Kinder- bzw. Wohnzimmer wird sich sicher auch ein Plätzchen für ein kleines Regal finden lassen, in dem das Lernmaterial Platz findet. Hier dann eben alle Lernbereiche in einem einzigen Regal untergebracht. Eine gute Möglichkeit wäre, die einzelnen Lernbereiche (Sinnesmaterial, Übungen des täglichen/praktischen Lebens, Sprache, Mathematik, Kosmisches Material) z.B. durch farblich unterschiedliche Regalbretter abzutrennen.
Auch hier gilt: das Material steht ordentlich (wenn möglich auf Tabletts oder in Kisten) im Regal.
Hier noch einmal wichtig zu erwähnen: das Material im Regal immer wieder den aktuellen Bedürfnissen anpassen, d.h. lange nicht mehr benutzte Dinge entnehmen und durch andere Materialien ersetzen, bzw. vorhandenes Lernmaterial um eine Schwierigkeitsstufe erweitern.
Weitere Möglichkeiten, um noch mehr Montessori in den eigenen Alltag einziehen zu lassen – natürlich entsprechender Platz dafür vorausgesetzt:
Küche: eine kleine Bank, eine kleine Kommode (in Arbeitshöhe des Kindes) oder sogar eine Kinderküche aus Holz, ausgestattet mit Schneidbrett, kindgerechtem Messer, Sparschäler, kleine Schüsseln etc., um dem Kind die Mithilfe beim Kochen zu ermöglichen (z.B. Gemüse schälen und schneiden).
Bad: Waschlappen, Seife und Zahnputzsachen (bzw. alle Dinge, die das Kind zur eigenen Pflege benötigt) sollten so aufbewahrt werden, dass es diese ohne Hilfe erreichen kann. Entweder kann durch Zuhilfenahme eines geeigneten Hockers das vorhandene Waschbecken genutzt werden, oder es kann anderweitig die Möglichkeit geschaffen werden, z.B. Kinder-Kunststoffwaschbecken angebracht am Badewannenrand oder Hocker mit Waschschüssel.
Ordnung:
Auf die Einhaltung von Ordnung wird konsequent geachtet (achtsamer Umgang mit dem Material, es wird nach Gebrauch wieder ordentlich und vollständig an den dafür vorgesehenen Platz im Regal gebracht). Äußere Ordnung (im Raum) ermöglicht innere Ordnung (im Kind). Sie ist Grundlage für Konzentration und gutes Arbeiten.
Dekoration:
Hier ist weniger tatsächlich mehr! Zu überladene Räume und Wände schaffen Unruhe, lenken ab und stören die Konzentration.