Rechenschwäche und Dyskalkulie – mit Montessori muss Rechnen kein Drama sein

Christiane Metzner - Plusmalminus

Christiane Metzner

Christiane Metzner ist sowohl diplomierte Montessoripädagogin mit jahrelanger Erfahrung an mehreren Grundschulen, als auch diplomierte Dyskalkulietrainerin.
Seit über 10 Jahren ist sie bereits als Dyskalkulietrainerin in ihrem Institut PlusMalMinus in Erfurt tätig.

Unter dem Motto „Rechnen muss kein Drama sein“ kann man sich auf ihrer Internetseite plusmalminus.de anschauen, wie die Hilfe für dyskalkulie- und rechenschwächegeplagte Kinder und Eltern aussieht. Dabei ist ihr wichtig, dass es sich nicht um Nachhilfe im gewöhnlichen Sinn handelt, sondern um konkret umsetzbare Hilfen im Rechenalltag. Hilfe für Eltern, die mit ihrem Kind nicht zu ihr in das Institut kommen können, wird über eine online Beratung angeboten.
Sie sieht ihre Aufgabe darin, die Ursache für die Rechenschwäche zu finden, zu bearbeiten und den Kindern neuen Mut und Selbstwert durch Erfolge im Rechnen zu geben. Denn Rechenschwäche hat immer einen Grund.

Wie sind Sie aufs Montessori-Material aufmerksam geworden?
Bereits während meines Studiums in Münster faszinierten mich die Materialien, die einen leichten Zugang zu Zahlen, Mengen und Rechenoperationen vermitteln. Der Wunsch, mehr darüber zu erfahren wuchs und ich meldete mich zum Montessorikurs an, den ich mit dem Diplom abschloss.

Was gefällt Ihnen besonders an den mathematischen Materialien?
Es ist wunderbar, wie mit den Materialien „gearbeitet“ werden kann. Der praktische Umgang damit vermittelt ein Gefühl für Zahlenräume und lässt , z. B. über die Goldenen Perlen, das Dezimalsystem und Rechenoperationen verstehen.

Was war das ungewöhnlichste bzw. überraschendste Montessori-Erlebnis bei Ihrer Arbeit?
Ich habe die schriftliche Division mit der „Großen Division“ eingeführt. Dies ist ein sehr anschauliches Material, was den Rechenweg für die schriftliche Rechenweise transparent macht. Die Stellenwerte werden verdeutlicht, Perlen müssen umgetauscht werden und der Schüler begreift, was sich dahinter verbirgt. Die Division wird handelnd erfahren.
Eine Schülerin war davon sehr begeistert und ich machte ein Video, welches ich ihren Eltern schickte. Da gerade Ferien waren, haben sie das Material mit Gummibärchen (statt der farbigen Perlen) nachgestellt und mit Begeisterung mehrstellige Zahlen aufgeteilt. Das war wirklich sehr schön.

Welches ist Ihr Lieblings-Montessori-Material fürs Rechentraining und warum?
Ich liebe das Würfelmaterial, welches den Goldenen Perlen von Montessori nachempfunden ist, es aber den großen Vorteil hat, dass nichts wegkullern kann und z. B. die Zehnerergänzung genau neben den Zehner platziert werden kann (1+9;2+8…). Auch das Umtauschen, dass 10 Zehner wirklich ein Hunderter ist, indem wir es übereinander legen, wird wunderbar deutlich.
Dieses Material ist für viele rechenschwache Kinder der Zugang zum Zahlenraum und zu den Rechenoperationen, weil nicht nur symbolisch mit dem Stift und Papier, sondern handeln gerechnet werden kann. Wir sehen, dass 3+7 = 10 ist. Die Stellenwerte werden deutlich. Plötzlich wird deutlich, warum die 10 als 1 und 0 geschrieben wird. Ich finde es nach wie vor faszinierend wenn ich sehe, dass bei den Kindern dieser „Aha-Moment“ eintritt.

Welche 3 Empfehlung haben Sie für Eltern, die ihre Kinder mit Dyskalkulie zuhause unterstützen wollen?

  1. Es ist ganz wichtig, dass mit Materialien zunächst die Orientierung im Zahlenraum entstehen kann. Dazu ist das Würfelmaterial sehr gut geeignet. Viel zu früh fangen die Schüler in der Schule auf symbolischer Ebene an und können dies nicht auf Mengen, Größen und Rechenoperationen übertragen.
  2. Ganz wichtig ist, dass der Schüler zunächst den Zehnerübergang versteht. Auch dies ist mit Material sofort einleuchtend. Bei 10 wird umgetauscht in die nächste Kategorie. Damit wird das zählende Rechnen unterbrochen. Viele Schüler finden nicht zum Rechnen, weil sie die Zahlen wie auf einer Perlenschnur nacheinander sehen und mühsam mit ihren Fingern versuchen die Zahlen vor- und rückwärts zu zählen.
  3. Das allerwichtigste ist, durch kleine Erfolge die Motivation zu erhalten, die Geduld nicht zu verlieren und sich, sollte der Konflikt zu Hause zu stark werden, Hilfe von außen zu suchen. Leider verlieren viele Schüler ihr Selbstvertrauen, werden traurig und mutlos, weil das Rechnen schon in den ersten Jahren der Schulzeit, die mit so viel Hoffnung begonnen wurde, zur Qual wird. Nicht selten strahlt dies dann auf andere Fächer aus.

Was finden Sie, muss zur Montessori-Pädagogik unbedingt erwähnt werden?
Das Motto Montessoris, hilf mir es selbst zu tun, steht über allem. Erst das, was ich selber gemacht und geschafft habe, bleibt im Gedächtnis und meine Freude über das Gelingen ist so viel stärker als ein Lob von außen.

Welche Frage zum Thema Montessori haben wir Ihrer Ansicht nach vergessen zu stellen?
Vielleicht ist es wichtig zu erwähnen, dass die Materialien nach meiner Erfahrung, ein gutes Begleiten, auch verbal, benötigen. Das Sprechen dazu, auch Hinweise geben, für was die Symbole in der Mathematik genutzt werden, was sich dahinter vierbirgt, halte ich für sehr wichtig.

Vielen Dank Frau Metzner, dass Sie sich die Zeit für unser Interview genommen haben.

Mehr Infos zur Arbeit von Christiane Metzner findet man auf der  Internetseite: https://www.plusmalminus.de

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