Die seit Geburt, oder durch Unfall bzw. Krankheit vom Sehsinn beraubten Mitmenschen verdienen ebenso Beachtung, wie jeder andere Mensch auch. Maria Montessori hat – wohl eher unbewusst – auch das schon bedacht. Ihre Entwicklungsmaterialien sind für möglichst viele Sinne geschaffen, so haben auch Blinde – übrigens nicht nur Kinder – ihre Freude daran.
1. Vorhandene Sinne besser nutzen
Der Mensch hat 5 Sinne. Ist er blind, bleiben ihm immer noch 4 davon. Diese sind bei blinden und sehbehinderten Menschen meist besser ausgeprägt. Dies geschieht durch automatisches und bewusstes Training von Tastsinn, Gehör, Geruchs- und Geschmackssinn. Gerade beim gezielten Schulen einzelner Sinne werden Montessori-Materialien eingesetzt.
- So helfen Materialien zum Fühlen den Tastsinn zu verfeinern und sind eine ideale Übungs-Vorstufe zum Ertasten der Blindenschrift (Brailleschrift).
- Geräuschdosen verbessern die auditive Wahrnehmung z.B. um s.g. akustische Blindenampeln gezielter zu hören.
- Kann man das Feuer nicht sehen, so riecht man es zumindest. Eine Schulung des Geruchssinns kann für einen Blinden durchaus lebensrettend sein.
- Ein geübter Geschmackssinn erkennt schnell, ob ein Lebensmittel evtl. verdorben ist.
2. Praktisches Leben – bekommen wir hin!
Versuchen sie mal ohne hinzuschauen ein Hemd zuzuknöpfen, die Reißverschlussenden der Jacke zusammenzufummeln oder blind einen Schuh anzuziehen und die Schleife zu binden. Und? Geht schon irgendwie, braucht aber noch ein bisschen Übung.
Für Blinde ist das ganz normal. Solche Handgriffe übt man idealerweise losgelöst vom Zeitkorsett des Alltags. Die Montessori-Materialien rund ums praktische Leben helfen dabei. Die Rahmen mit Verschlüssen decken nahezu jede Verschlussart ab, die Kleidungsstücke haben können. Bei den Schraubenleisten werden neben der Fingerfertigkeit und taktilem Feingefühl auch die Zuordnung verschiedener Schrauben- und Muttergrößen erlernt.
3. Gemeinsam statt einsam
Maria Montessori sagte
Der Weg auf dem die Schwachen sich stärken, ist der gleiche wie der, auf dem die Starken sich vervollkommnen.
Das ist ein Aufruf an alle Menschen, gemeinsam zu lernen, handeln usw. Ein großer Teil der Montessori-Materialien und der daran angelehnten Lehrmittel ist für Blinde und Sehende gleichermaßen interessant. Evtl. muss ein Sehender die Augen verbunden bekommen, damit die Anzahl der verfügbaren Sinne gleich ist, aber das war es dann auch schon. Gewetteifert wird um die beste Nase, die feinfühligsten Hände usw.
4. Das Zahlengeheimnis – Montessori-Rechnen lernen für Blinde
Die üblichen Arbeitsblätter, Übungshefte und Bücher sind auf sehende Kinder ausgerichtet. Blinde Kinder lernen Zahlen auf anderem Weg. Um die Wertigkeit von Zahlen zu begreifen, benötigen blinde Kinder ein – im wahrsten Sinne des Wortes – begreifbares Lernmaterial. Schon stehen wir wieder vor der Montessori-Trickkiste und holen Perlenmaterial und Rechenstäbchen hervor. Wie ganz selbstverständlich zählt das Kind die einzelnen Perlen bzw. Kuben ab und lernt so die Mächtigkeit der einzelnen Zahlen kennen. Rechenaufgaben werden erfühlt und damit für das Kind greifbar. Stück für Stück arbeitet es sich an größere Zahlen heran und kann schnell Einer, Zehner, Hunderter und Tausender unterscheiden.
Mehr Infos rund um Sehbehinderungen gibt der Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V..